Dienstag, 7. Mai 2013

TempelgedönS 1 ceremony


sie taumelt nur noch - ich bin zu spät
„We´re too late!!!“ Grad noch seh ich aus den Augenwinkeln das Blut durch die Luft spritzen, Eingeweide baumeln über der weißen Spitzenbluse der Gläubigen und die Reste des zerfetzten Huhnes fliegen durch die Luft.
Bin ich die einzige die aus aufgerissenen Augen auf die Frau starrt, die das Huhn grad bei lebendigen Leib zerrissen hat?
Ich schau mich um, alle sitzen lässig im Schneidersitz, die Musik hat begonnen zu spielen und mein Blick bleibt fragend an Made hängen.
„Whats going on?“
„Ah, she´s in trance. She´s doing all the time. Thats how the ceremony starts.“
Mein Blick tötet grad kein Huhn, sondern Made: „I told you let´s hurry up.“ Scheiß balinesische Gelassenheit.
„Sometimes she´s killing a pig.“
„What?“
kinder sind überall dabei
„No problem, she doesn´t know, what she´s doing.“ Ich werd nicht mehr - als ob der Gedanke jetzt beruhigender ist. Aber für sie ist es bestimmt angenehmer, nicht zu wissen, wenn sich handwarme Gedärme mit frisch verschlungenem Unrat über ihr ergießen.
 
 
 

made am instrument
Made hat mich hierher geschleppt. Ich hab ihn an meinem ersten Abend auf Bali in Ubud kennengelernt. Nach einer Nachtfahrt im Bus quer durch Sabah mit gefühlten einhundert Polizeikontrollen, weil immer noch aufständische Philipinos dort vermutet werden; einem Tag dämliches Zeit totschlagen in Kota Kinabalu, inclusive Höllentaxifahrt, weil ich meine GoPro im Bus vergessen habe; einigen Stunden im Flieger nach Jakarta; einer weiteren Nacht am Flughafen mit einem Securityofficer, der mir sein Leben erzählt hat, statt eine Mütze Schlaf zu schenken; einigen weiteren Stunden Flug; dem dirktem Gang zum Mopedverleih in Kuta; einer Irrfahrt durch Balis unübersichtliches Verkersnetz und einem Besuch eines saganhften Tempels auf einer Insel, bin ich in diesm Wharung eingelaufen. Hapüh. Völlig übernächtigt, griesgrämig, und ausgehungert, wollte ich nur einen Salat und einen Tee, aber Made und seine Freunde haben mich hier mit Lachen und guter Laune willkommen geheißen, dass ich dann zu zwei Salaten auch noch zwei Bier inhaliert habe.

Er wohnt in dem Dorf und hat mich zu dieser Tempelzeremonie eingeladen. Natürlich nicht ohne dass ich vorher mit überdeutlichem Interesse und herzzerreißendem bettelndem Dackelblick betont habe, dass ich dieses Land mit dem ersten Blick in mein Herz geschlossen habe, dass ich unheimlich an der Kultur interessiert bin und dass mich der Tourismus in Kuta so angekotzt hat, dass ich trotz zwei schlaflosen Nächten direkt nach Ubut geflohen bin. Strike! Das war das gefundene Fressen für einen waschechten Balinesen mit einem ack voll Lokalptriotismus, der nicht nur stolz auf seine Kultur ist, sondern sich zudem gerne mit europäischen Touristinnen schmückt.
Aber hey - ein gesundes Maß an Egoismus auf beiden Seiten kann zu spannendem Kulturaustausch führen. Und so steh ich jetzt hier mit europäischem Entsetzen vor dieser Frau, gehüllt in einem Sarong meiner Vermieterin, einer gelber Spitzenbluse vom Markt und einem Tuch um die Hüften mitten in dieser befremdlichen und doch so entspannten Athmosphäre.

Die Musik spielt auf Instrumenten, die an goldene Xylophone erinnern.
Mein Gott, ich muss mir echt Mühe geben das Gesicht nicht zu verzehen. Das ist nicht nur schräg und blechern, der Sound tut in den Ohren weh. Bilder einer üngeübten Schulcombo huschen durch meinen Thalamus, Untalentierte Microsternchen die sich auf selbstgebastelten Recyclekunstwerken Starkult kopieren, während das Publikum wünscht, dass wenigstens Karaokebackground den Klangteppich harmonisiert.
Aber halt...
da kommt was...
ich erkenne Rhythmus...
warte...
und Melodie...
und wenn ich mich frei mache von verbindlicher Oktavenharmonie, meinen Kulturkreis und meine Vorstellung von Musik ausschalte...
dann stellt sie einen angenehmen Soundteppich dar, bei dem ein tranceähnlicher Zustand gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Freimachen von Vorstellungen und Erwartungen ist seit jeher die Zauberformel für das kleine Glück ist und schon bin ich drin in dieser fremden Welt und kann es genießen.
Die Herrscherin über das Huhn bewegt sich noch wenig zur Musik, aber während meiner mentalen Selbstheilung über die Musik sind diverse Retter zu ihr geeilt, um sie mit heiligem Wasser und Handauflegen von ihrem Teufelsleiden zu heilen. Die übrigen Teilnehmer der Zeremonie sind alle gesund und haben sich währenddessen mit Opfergaben ausgestattet und ziehen in den Tempel.
 
 
Jetzt gilt es den Gott der Natur zu huldigen, was durch mehrmaliges Umrunden der Opferstätte innerhalb es Tempelgeländes geschieht und anschließend wird mit einem erneuten Gang vor den Tempel symbolisch der Gott der See willkommen geheißen. Es ist phänomenal: dramatische dunkle Klänge untermalen das Auftauchen des Seeengottes und geben das Gefühl von einem beständigen Herzschlag, während die letzten Sonnenstrahlen die magische Szenerie zum Glühen bringt. Für mich ist das so neu und so berauschend und ich empfinde tiefe Dankbarkeit für Made, dieses erleben zu können. Trotzdem bin ich neugierig woher dieser dumpfe beruhigende Beat kommt und mein Blick sucht die Herzklangmacher. Ich werd nicht mehr: zwei Männer sitzeauf einem Turm hölzernen Turm an der Seite des Spektakels und schlagen abwechselnd mir Holzkknüppeln gegen riesige klingende hängende Hölzer. Glocken in ihrer archaischsten Form und … Ich muss lachen: Der Ernst der Zeremonie scheint dem einen nicht klar zu sein oder er spielt NewEconomy meets Altertum: Es spielt mit seinem Handy, während er doch musikalisch die Lebendigkeit des Gottes repräsentiert.
 
Ha! Einsatz verpasst.
Er blickt zu seinem Kompanion und der schüttelt den Kopf. Ich muss an unsere Surdos denken, die die ganze Bateria zum Zusammenbruch bringen, wenn der Takt nicht stimmt.
Ha wieder. Ich muss losprusten. Klick – Bild im Kasten.
Das stört hier keinen. Die wissen wohl, dass der Gott der See zuweilen an leichten Herzrythmusstörungen leidet.
Knips. Blitz. Unsere Blicke begegnen sich, wir müssen beide laut lachen und er verpasst wieder seinen Einsatz. Balinesische Gelassenheit: Wer mit Huhnfledderern feiert, kann auch kurze Herzaussetzer von Göttern verkraften. Wen kümmerts.


 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen